Fassungslos im Angesicht des Grauens

Sprachlos: Der Besuch in der heutigen Gedenkstätte Auschwitz führt den Berufsschülern der Friedrich-Feld-Schule eindrücklich die Verbrechen der Nationalsozialisten vor Augen – ganz begreifen können sie die Dimensionen des Mordens wohl trotzdem nicht.

 

Gießener Allgemeine vom 26.07.2014

Wider die Kultur des Vergessens –  Friedrich-Feld-Schule: Abschlussfahrt nach Auschwitz und Birkenau

G i e ß e n (pm). Eine Abschlussfahrt besonderer Art unternahmen Berufsschüler der Friedrich-Feld-Schule in Gießen, die eine Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik oder zum Fachlageristen absolviert hatten. Sie hatten sich dazu entschieden, zusammen mit ihren Lehrern  Gunter Ackermann, der die Fahrt organisiert hatte, Christoph Habedank und Edeltraud Alavi das Konzentrationslager Auschwitz und das Vernichtungslager Birkenau zu besichtigen. Unterstützt wurde diese Studienfahrt vom Förderverein der Beruflichen Schule.

Die Entscheidung, diese Orte zu besuchen, die als Mahnmal deutscher Geschichte, als Orte des Grauens und des Völkermordes gelten, hatten die Schülerinnen und Schüler getroffen – wohl wissend, dass ihnen diese Fahrt einiges abverlangen würde. Schon die im Vorfeld bekannten Fakten lösen Beklemmung und Fassungslosigkeit aus: Aus den Konzentrationslagern Auschwitz und Birkenau entwickelten sich 1942 nach der sogenannten »Wannsee-Konferenz«, auf der die »Endlösung der Judenfrage« beschlossen wurde, das größte  Vernichtungszentrum für die in Europa lebenden Juden. Historiker gehen von bis zu eineinhalb Millionen ermordeter Juden aus – allein in Auschwitz.

Wenn alleine diese Zahlen schon bedrückend wirken, übertrafen die Eindrücke vor Ort doch bei Weitem die Erwartungen und gipfelten bei den meisten Schülern in einem Gefühl der Sprach- und Fassungslosigkeit, weil, so David, »man das, was man dort gesehen und erlebt hat, kaum in Worte fassen kann, sondern jeder selbst erlebt und gesehen haben muss«. In vielen der Schüleräußerungen kommt auch zum Ausdruck, dass das vor Ort Geschehene und Dokumentierte an die Grenzen des menschlichen Fassungsvermögens stößt. So äußert sich Stefan in seiner Nachbetrachtung: »Zum größten Teil fehlen mir immer noch die Worte. Die Dimensionen, in denen diese kaltblütigen, sinnlosen Morde begangen wurden, sind einfach nur erschreckend.« Auch Patrick resümiert: »Obwohl ich mich immer wieder mit diesem Thema auseinandergesetzt habe, war ich entsetzt über die räumlichen Dimensionen dieser Anlage im Verhältnis zu dem Ausmaß der Verbrechen, die dort in relativ kurzer Zeit begangen wurden. Räumlich schien dort alles so klein und dennoch ist Auschwitz der größte jüdische Friedhof der Welt.«

Bereits im Vorfeld und erst recht nach dem Besuch der Gedenkstätten wurden unter den Schülern Diskussionen darüber geführt, wie man mit der Frage von Schuld und Verantwortung im Hinblick auf die nationalsozialistischen Verbrechen umgehen könne und müsse. Adnan schildert seine Gefühle nach dem Auschwitz-Besuch: »Ich habe mich sehr verantwortlich gefühlt, obwohl ich nicht deutscher Abstammung bin. Meine Stimmung war sehr gedrückt, weil man immer diese Bilder im Kopf hat. Wir dürfen nicht verdrängen und nicht vergessen. Man sollte sich vor Augen führen, dass die Verbrechen genau in diesem Land passiert sind, wo wir unser Leben haben, wo es uns gut geht, wo wir in Freiheit leben können.«

 

Gießener Anzeiger vom 11.07.2014

Fassungslos im Angesicht des Grauens

GIESSEN (red). Dass diese Fahrt ihnen einiges abverlangen würde, wussten die Berufsschüler der Friedrich-Feld-Schule. Dennoch haben sie sich gezielt dafür entschieden, das Konzentrationslager Auschwitz und das Vernichtungslager Birkenau zu besichtigen – „Orte, die als Mahnmal deutscher Geschichte, als Orte des Grauens und des Völkermordes gelten“, heißt es in einer Pressemitteilung der Schule. Wirkten schon die im Vorfeld bekannten Fakten bedrückend und beklemmend, übertrafen die Eindrücke vor Ort doch bei weitem die Erwartungen. Bei den meisten Schülern gipfelten sie in einem Gefühl der Sprach- und Fassungslosigkeit, „weil man das, was man dort gesehen und erlebt hat, kaum in Worte fassen kann“, erinnert sich David.

Nach der Wannsee-Konferenz 1942, auf der die „Endlösung der Judenfrage“ beschlossen wurde, entwickelte sich Auschwitz-Birkenau zum „größten Vernichtungszentrum für die in Europa lebenden Juden“. Was die Schüler nun dort sahen und erfuhren, stieß für sie „an die Grenzen des menschlichen Fassungsvermögens“. So äußert sich Stefan in seiner Nachbetrachtung: „Das Ausmaß ist für mich selbst nach Besichtigung des Schauplatzes in Auschwitz und Birkenau noch nicht ganz zu begreifen. Die Dimensionen, in denen diese ganzen kaltblütigen, sinnlosen Morde begangen wurden, sind einfach nur erschreckend.“ Auch Patrick resümiert: „Obwohl ich mich immer wieder mit diesem Thema auseinandergesetzt habe, war ich entsetzt über die räumlichen Dimensionen dieser Anlage im Verhältnis zu dem Ausmaß der Verbrechen, die dort in relativ kurzer Zeit begangen wurden. Räumlich schien alles so klein und dennoch ist Auschwitz der größte jüdische Friedhof der Welt, wahrscheinlich der größte Friedhof überhaupt.“

Schuld und Verantwortung

Schon im Vorfeld und erst recht nach dem Besuch der Gedenkstätten diskutierten die Schüler darüber, wie man mit der Frage von Schuld und Verantwortung im Hinblick auf die nationalsozialistischen Verbrechen umgehen könne und müsse. „Ich habe mich sehr verantwortlich gefühlt, obwohl ich nicht deutscher Abstammung bin. Meine Stimmung war sehr gedrückt, weil man immer diese Bilder im Kopf hat“, schildert Adnan. Seiner Meinung nach sollte jeder Bundesbürger in Deutschland ein Konzentrationslager besuchen müssen. Und er fügt hinzu: „Wir müssen in Deutschland verantwortungsvoll damit umgehen. Wir dürfen nicht verdrängen und nicht vergessen. Man sollte sich vor Augen führen, dass die Verbrechen vor circa 70 Jahren genau in diesem Land passiert sind, in dem es uns gut geht, in dem wir in Freiheit leben können.“ Auch Patrick und Markus appellieren, „dass das Ganze nicht in Vergessenheit geraten darf“ und sich nie wiederholen dürfe, weil Auschwitz „eine traurige Geschichte der Menschheit und der Weltgeschichte war und ist“.

Die Abschlussfahrt der besonderen Art hatte Gunter Ackermann organisiert. Begleitet wurden die Fachkräfte für Lagerlogistik und Fachlageristen zudem von Christoph Habedank und Edeltraud Alavi. Der Förderverein der Friedrich-Feld-Schule hat die Studienfahrt unterstützt.

Bilder von der Studienfahrt nach Auschwitz hier